Journalistin entdeckt vergessenen Häftling in syrischem Gefängnis – doch viele zweifeln

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In den vergangenen Tagen haben Rebellengruppen in Syrien die Truppen des Machthabers Baschar al-Assad wortwörtlich überrollt und das Land ganz erobert. Als sie vor den Toren der Hauptstadt Damaskus standen, wo Assad seinen Regierungssitz hatte und absehbar wurde, dass sie nicht mehr aufzuhalten sein würden, flüchtete der Diktator nach Russland ins Exil. In der Folge begannen die Freiheitskämpfer, die Spuren des ehemaligen Regimes zu beseitigen.

Mitten drin war auch ein Team des US-Fernsehsenders CNN, welches das Geschehen an verschiedenen Schauplätzen dokumentierte. Vor einigen Tagen veröffentlichte der Sender eine Reportage, welche jetzt für Schlagzeilen sorgt. Darin ist zu sehen, wie die leitende Auslandskorrespondentin von CNN und mehrfache Emmy-Preisträgerin, Clarissa Ward, zusammen mit den Rebellen in einem Gefängnis des ehemaligen Regimes nach dem vermissten US-Journalisten Austin Tice sucht. Dieser wurde 2012 in Syrien entführt.

Ward findet ihn zwar nicht, entdeckt in einer Zelle aber einen vermeintlich anderen Gefangenen, welchen sie dann auf seinen ersten Schritten in die zurückerlangte Freiheit begleitet. Hier ist die ganze Szene, wie CNN sie veröffentlichte:

Der Mann gibt im Video an, er sei seit drei Monaten in Einzelhaft gewesen, gefoltert worden und habe die Sonne seit Wochen nicht gesehen. Er klammert sich fest an die Reporterin, die ihn aus seiner kargen Zelle, in der er unter einer Decke gekauert hatte, nach draussen begleitet. Draussen blickt er in den Himmel und ruft: «Mein Gott, es ist Licht!» Danach küsst er die Reporterin auf die Schulter.

Ward meinte auf der Plattform X (ehemals Twitter), die Reportage sei etwas vom Aussergewöhnlichsten, das sie in 20 Jahren Journalismus erlebt habe.

Unter diesem Post häuft sich nun aber Kritik. Viele äussern Zweifel an der Authentizität des Videos. So wird etwa angemerkt, wie sauber die Jacke und die Fingernägel des Mannes seien. Ausserdem habe er einen Haarschnitt, der nicht nach Monaten der Folter aussehe. Ein anderer User schreibt ausserdem: «Keine Chance, dass jemand, der in der Dunkelheit lebte, direkt in die Sonne schauen könnte.»

Während einige User der Journalistin vorwerfen, die Szene gestellt zu haben, schätzen andere, dass die Rebellengruppen alles orchestriert habe – ohne das Wissen der Journalistin.

Nicht der erste Inszenierungs-Vorwurf

Ward wird nicht zum ersten Mal eine Inszenierung vorgeworfen. Schon letztes Jahr berichteten mehrere Medien über ein vermeintlich gestelltes Video von ihr. Es handelte sich dabei um eine Reportage aus dem Grenzgebiet von Israel und Gaza, wo sich Ward in den Dreck kauerte, um sich vor angeblich in der Nähe einschlagenden Raketen zu schützen. Im Hintergrund des Videos sollen damals Regieanweisungen zu hören gewesen sein. So soll jemand hinter der Kamera zu Ward gesagt haben, sie solle versuchen, «hübsch, aber verängstigt» auszusehen.

CNN beteuerte in einer Stellungnahme, die Audiospur mit den Anweisungen sei erst nachträglich von externer Seite zum Video hinzugefügt worden. Mehrere Medien veröffentlichten danach Fact-Checks und kamen zur selben, für CNN entlastenden Erkenntnis.

Zu den Vorwürfen zum aktuellen Video haben weder CNN noch Ward bisher Stellung genommen. (lzo)

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