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Proteste gegen Trump und Musk in Los Angeles, Kalifornien, am Mittwoch. Bild: keystone
Analyse
Der Widerstand gegen den administrativen Staatsstreich von rechts wächst.
Als Donald Trump zum ersten Mal ins Weisse Haus einzog, herrschte Aufruhr. Eine halbe Million Frauen protestierten in Washington und trugen dabei die legendären pinkfarbenen Pussy-Mützen. Flughäfen wurden besetzt, um die Umsetzung eines schludrig verfassten Einreiseverbots für Muslime zu verhindern.
Als dröhnende Stille kann man hingegen die Reaktion auf Trumps Wiederkehr ins Weisse Haus bezeichnen. Keine Demos und wegen der Kälte musste die Inaugurationsfeier auch ins Innere des Kapitols verlegt werden.
Vor acht Jahren war diese Mütze das Symbol des Widerstands.Bild: KEYSTONE
Dafür gibt es zwei Gründe: Konnte Trumps erster Triumph noch als geschichtlicher Unfall abgetan werden, ist dies beim zweiten Sieg nicht mehr möglich. Er gewann nicht nur die Elektorenstimmen, sondern auch die Volksmehrheit, wenn auch äusserst knapp. Das führte zu einer generellen Depression und Lähmung bei den Liberalen.
Die Parteistrategen der Demokraten wollten zunächst auch ganz bewusst auf Massendemonstrationen verzichten. Sie wussten, dass dies Trump in die Karten spielen würde. Der Präsident wartet geradezu auf Krawalle wie seinerzeit nach der Ermordung von George Floyd, um gar das Notrecht ausrufen zu können. Nicht nur könnte er dann das Militär aufbieten, mit der Begnadigung der Proud Boys und der Oath Keepers hat er auch die Saat für seine eigene Schlägertruppe ausgestreut.
Chuck Schumer, der demokratische Minderheitsführer im Senat, gab deshalb folgende Widerstands-Losung aus: «Wir werden nicht jede einzelne Massnahme des Präsidenten bekämpfen. Wir werden uns vielmehr auf die wichtigen Kämpfe beschränken und die Voraussetzung dafür schaffen.»
So weit der Plan der Demokraten. Doch wie lautet doch schon wieder die Boxer-Weisheit von Mike Tyson: «Jeder hat einen Plan – bis er eins in die Fresse geknallt kriegt.» Zusammen mit seinem Schattenpräsidenten Elon Musk hat Trump sich einer weiteren Boxer-Weisheit bedient: «Geben ist seliger als Nehmen». Er hat in den ersten Tagen mit einer Flut von präsidialen Dekreten schockiert, eine ganze Menge davon verfassungswidrig und damit eine Reaktion geradezu herausgefordert.
Geht auf die Strasse: Chuck Schumer, Minderheitsführer des Demokraten im Senat.Bild: keystone
Diese Reaktion erfolgt jetzt auf den verschiedensten Ebenen. Das zeigt das Beispiel der amerikanischen Hilfsorganisation USAID.
USAID wurde seinerzeit von Präsident John F. Kennedy ins Leben gerufen. Heute hat die Organisation für internationale Entwicklung mehr als 10’000 Angestellte und ein Budget von rund 40 Milliarden Dollar. In den Augen von Elon Musk sind dies verschwendete Steuergelder. Er bezeichnet USAID als «kriminelle Organisation» und als «Vipern-Nest von radikalen Marxisten, die Amerika hassen».
Am vergangenen Wochenende hat er deshalb mit Billigung von Trump veranlasst, dass alle Zahlungen per sofort eingestellt werden. «Wir haben USAID in den Holz-Häcksler geworfen», prahlte er. Und warum auch nicht? Was kümmert es den Durchschnittsamerikaner, wenn die Auslandshilfe eingestellt wird? So dürfte die Überlegung von Musk & Co. gelautet haben.
Vor allem auch dann, wenn man das Ganze mit ein paar herausragenden Beispielen garniert. 100 Millionen Dollar habe USAID für Kondome für die Hamas ausgegeben, erklärte Trump. Er ist für seine Lügen und Übertreibungen sattsam bekannt, aber diesmal hat er sich selbst übertroffen. Würde diese Zahl stimmen, dann müsste jedes Hamas-Mitglied täglich 325-mal Sex haben. Das hat Nicholas Kristof, Kolumnist bei der «New York Times», vorgerechnet.
Dass der reichste Mann die ärmsten Menschen – darunter viele Kinder – bestrafen will, hat moralische Empörung hervorgerufen. Gestern sind in Dutzenden amerikanischen Städten tausende von Menschen auf die Strasse gegangen, um gegen diesen Entscheid zu protestieren. Doch nicht nur die urbanen Liberalen sind wütend. Viele konservative Farmer, die für Trump gestimmt haben, müssen um ihr Einkommen fürchten. USAID kauft ihnen jährlich für rund zwei Milliarden Dollar Getreide ab. Auch diese Lieferungen sind vorläufig storniert worden.
USAID-Angestellte kontrollieren ein Lebensmittellager in Simbabwe.Bild: keystone
Die Einstellung der Hilfe von USAID ist nicht nur schäbig, sie ist auch ein Schuss ins eigene Knie, nicht nur, weil Russland und China freudig darauf reagiert haben und sofort in die Lücke springen werden. Die Organisation betreut beispielsweise auch Gesundheitsprogramme im Globalen Süden, in Uganda beispielsweise ein Programm gegen Ebola. Auch dieses ist gestoppt worden, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem das Virus in der Hauptstadt Kampala erneut ausgebrochen ist. Aus Tansania werden derweil Fälle der Viruskrankheit Marburg – ebenfalls hoch ansteckend – gemeldet.
Das hat auch die Wissenschaftler auf den Plan gebracht. Trump will auch das Center for Disease Control (CDC) auf seine Linie trimmen und alle Ausgaben für Forschung, die er für «woke» hält, unterbinden. Mehrere Nobelpreis-Träger und die American Association of University Professors haben dagegen protestiert und ihre Kollegen aufgefordert, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Das FBI durchsucht Trumps Residenz in Florida. Bild: keystone
Viele der von Trump erlassenen Dekrete sind illegal, so auch das Vorgehen gegen USAID. Ebenso hätten die 18 Inspektoren nicht fristlos gefeuert und das Verbot gegen TikTok nicht aufgehoben werden dürfen.
Vor allem jedoch verstösst ein Dekret ganz klar gegen die Verfassung: Trump will damit verbieten, dass künftig jedes in den USA geborene Kind automatisch das Bürgerrecht erhält. Zwei Richter haben dieses Verbot bereits aufgehoben, acht weitere Verfahren sind hängig.
Die Richter müssen sich auch um Klagen von Angehörigen des FBI kümmern. Tausende von ihnen sollen entlassen werden, weil sie in den Strafverfahren gegen Trump involviert waren. Ihre Chefs sind bereits gefeuert worden. Dieser Rachefeldzug von Trump entbehrt nicht nur jeglicher rechtlichen Grundlage – die in der Regel konservativen FBI-Beamten taten lediglich ihre Pflicht –, damit gefährdet der Präsident auch die nationale Sicherheit, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem die Welt immer unsicherer wird.
Nicht nur die FBI-Beamten stemmen sich gegen ihre Entlassung, auch zehntausende von anderen Regierungsangestellten lassen sich nicht widerstandslos zur Schlachtbank führen. Das Duo Trump/Musk hat angeboten, ihnen den Lohn bis zum September weiter zu bezahlen, wenn sie freiwillig ihre Kündigung einreichen. Das Angebot läuft heute aus. Weit weniger Beamte als erwartet haben es angenommen, nicht zuletzt, weil es ebenfalls auf juristisch wackligen Füssen steht. Viele reagieren mit einem Löffel-Emoji. Dies, weil Musk davon sprach, sie würden sich an einer Weg-Gabelung befinden.
Im Senat haben derweil die Demokraten beschlossen, künftig jede einzelne Nomination von Trump zu bekämpfen und das Verfahren so lange wie möglich in die Länge zu ziehen.
Will keine US-Soldaten in Palästina: Steve Bannon.Bild: keystone
Selbst bei der MAGA-Basis regt sich Widerstand gegen Trumps Wahnsinn. Sein «Gaz-a-Lago»-Plan mit den Palästinensern kommt gar nicht gut an, schliesslich hat der Präsident ja im Wahlkampf immer und immer wieder beteuert, er werde keine amerikanischen Soldaten mehr in die Kriege fremder Länder schicken. Genau dies riskiert er jedoch mit seinem hirnrissigen Plan, den Gaza-Streifen in die «schönste Riviera am Mittelmeer» unter amerikanischer Herrschaft zu verwandeln.
«Wir lieben unseren Präsidenten, aber unser Fokus liegt auf East Palestine (ein Ort im Bundesstaat Ohio, in dem sich ein schweres Eisenbahnunglück ereignet hat, Anm. d. Verf.) und nicht auf Palästina», liess etwa Steve Bannon verlauten. Verschiedene republikanische Senatoren wie Lindsey Graham, Paul Rand und Josh Hawley – alle harte Trump-Fans – haben sich ebenfalls kritisch zu «Gaz-a-Lago» geäussert.
Trump krebst daher bereits zurück. Die angedrohten Kündigungen beim FBI sollen nochmals überprüft werden. Seine Pressesprecherin stellte zudem klar, dass keine amerikanischen Soldaten in den Nahen Osten gesandt und kein amerikanisches Steuergeld verwendet wird.
Wie bei den Strafzoll-Drohungen gegen Mexiko und Kanada zeigt sich auch hier: Trifft Trump auf entschlossenen Widerstand, dann zieht er den Schwanz ein. Das lässt hoffen – und auch die Tatsache, dass die Tesla-Verkäufe weltweit einbrechen.