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Bundesratskandidat Markus Ritter stimmt innerhalb seiner Fraktion am zweitrechtesten ab.Bild: KEYSTONE
Die Parteilandschaft in der Schweiz ist breit. Doch innerhalb der Parteien wird immer mehr im Gleichschritt politisiert, wie unsere Analyse des Wahlverhaltens im Parlament zeigt. Doch es gibt auch einige, die aus dem klaren Parteischema ausscheren.
Seit dieser Woche ist es offiziell: Markus Ritter will in den Bundesrat. Der Präsident des Bauernverbands hat kein ausgefallenes Profil für die Exekutive: ein weiterer Bauer, ein weiterer Mann und vor allem ein weiterer Bürgerlicher.
Wie unsere Berechnungen des Wahlverhaltens im Parlament zeigen, entwickelte sich Ritter seit 2011 von einem Bilderbuch-Politiker der Mitte bzw. CVP zu einem der rechtesten Exponenten in seiner Partei.
Für unsere Berechnungen haben wir alle Voten im Parlament seit 2004 analysiert und durch eine Skalierungsmethode (siehe Infobox) analysiert. Das Resultat: die Einordnung aller Parteien sowie ihrer Politikerinnen und Politiker in ein Rechts-Links-Schema. Dabei gilt es zu beachten, dass die Methodik keine absoluten Verschiebungen nach links oder rechts innerhalb eines Parlaments darstellen kann.
Methodik
Für die Berechnung verwenden wir Skalierungsmethode DW-Nominate. Diese Methodik wurde zur Analyse von Abstimmungsverhalten in einem Parlament entwickelt. Multidimensionale Skalierung versucht, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier räumlich einzuordnen, um ihre Ähnlichkeit beziehungsweise Unähnlichkeit mit Abständen in Punkten darzustellen. Je näher eine Person der anderen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gleich abstimmen und umgekehrt.
Durch die Veränderung der politischen Landschaft ändert sich auch der Blick auf Themen. Beispielhaft dafür ist ein Waffenexportverbot, das 1972 noch beinahe mehrheitsfähig war, dann 2009 vom Volk abgeschmettert wurde und heute wird gar über eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes bis weit in eine parlamentarische Linke diskutiert. Daher ist eine Definition von Links und Rechts unmöglich, einzig die Verschiebung der Parteien zueinander kann mittels der Methode dargestellt werden.
Von breiter Verteilung zu strammen Positionen
Doch nicht nur Themen, auch Politikerinnen und Politiker können sich plötzlich umpositionieren, wie unsere Analyse zeigt: 2004 stand Gerhard Pfister, ein anderer bekannter Mitte-Politiker, noch klar auf dem rechten Flügel der damaligen CVP. Der abtretende Mitte-Präsident war umgeben von konservativen Vertreterinnen und Vertreter der FDP.
Ebendiese Liberalen galten damals noch als der rechte Rand der Partei. Aber an ebendiesem ehemals rechten Rand politisiert heute die Mehrheit der FDP. Wie alle Parteien haben sich auch die Freisinnigen in den letzten 20 Jahren strammer auf der Parteilinie positioniert.
Strammere Linie bei allen Parteien
Einordnung der Parteien nach Wahlverhalten von 10.1 (links) bis -10.1 (rechts) von 2004 bis 2024
So stellt sich die Mitte nun klar links der FDP auf. Wo einst die CVP bzw. die BDP noch beinahe deckungsgleich mit den Liberalen abstimmten, halten sie heute also höchstens noch Händchen.
Die breite politische Aufstellung der Mitte und der FDP war aber keineswegs einzigartig, wie unsere Analyse zeigt. Selbst die SP, bekannt für ihre klare Parteilinie, breitete sich einst fast bis zur CVP aus. Doch damit war 2008 definitiv Schluss und die Sozialdemokraten formierten sich um in die wohl strikteste Parteilinie im Parlament und kreierten damit auch die konstanteste Positionierung aller Parteien.
Volatiler ist hingegen das Wahlverhalten der Grünen. Über Jahre stellten sie sich klar links der SP auf, fanden sich aber während der Legislaturperiode von 2011 bis 2015 fast deckungsgleich mit den Sozialdemokraten. Bevor sie sich in den letzten Jahren wieder weiter nach links von der SP absetzten.
Auch auf der anderen Seite des Nationalratssaals spitzt sich die Kurve zu. Das Wahlverhalten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier der SVP wandert stetig zusammen – und entfernt sich immer weiter von der Mitte. Der Ausfallschritt nach rechts ist kein exklusiver Trend der SVP, auch die FDP und in geringerem Masse die Mitte selbst finden ihre grösste Konzentration heute rechts ihres einstigen Medians.
Ein Jahr mit dem neuen Parlament – wo stehen wir?
Im Detail stellt sich das neu gewählte Parlament nach dem ersten Jahr der Legislaturperiode in etwa gleich auf, wie es die Parteilinien erwarten lassen. Die Abgeordneten werden nach einem Rating von 10.1 (links) bis -10.1 (rechts) in 45 Kolonen sortiert. Innerhalb der Kolone wird die Person mit dem linksten Abstimmungsverhalten zuunterst aufgeführt.
Wer steht wo?
Einordnung der Parlamentarier:innen nach Wahlverhalten von 10.1 (links) bis -10.1 (rechts)
SVP
Ganz am rechten Rand des Parlaments steht der Berner SVP-Nationalrat Erich Hess, gefolgt von Fraktionschef Thomas Aeschi. Ganz links der «Volkspartei» ist der Schaffhauser Thomas Hurter. Zwischen Hess und Hurter liegen 1.6 Punkte. Neu zu den Hardlinern zählt der hellebardeschwingende Parteipräsident Marcel Dettling. Dieser löste Anfang 2024 den eher im linken Flügel der Partei einzuordnenden Marco Chiesa ab.
Grüne
Am äussersten linken Rand des Parlaments steht mit Fraktionschefin Aline Trede ebenfalls eine Bernerin. Doch setzt sie sich nicht weit von ihrer Parteikollegin Manuela Weichelt und dem ehemaligen Grünen-Präsident Balthasar Glättli ab. Der Zürcher Nationalrat war in der letzten Legislaturperiode noch der Hardliner schlechthin, hat sich nun aber wieder leicht in die Partei eingereiht. Dennoch politisiert er weiterhin im linken Spektrum der Grünen.
Bild: watson
Fast bei der SP anzutreffen ist hingegen der abgetretene Nationalrat Bastien Girod. Sein Abstimmungsverhalten ähnelt eher dem eines Sozialdemokraten und es liegen fast 1.7 Punkte zwischen ihm und dem linken Rand seiner Partei.
FDP
Die FDP steht gesamthaft klar rechts von der Mitte und ebenfalls auf Linie. Zwischen dem Präsidenten der aussenpolitischen Kommission Laurent Wehrli links und dem eher EU-skeptischen Christian Wasserfallen rechts liegen nur gerade 1.6 Punkte.
Spannend ist hier auch die Positionierung von Matthias Jauslin, der Anfang 2025 zur GLP überlief. Er gilt, nach unseren Berechnungen, als linker Vertreter in der FDP. Doch liegt er mit seinem Wahlverhalten immer noch rund 4.6 Punkte von den Grünliberalen entfernt. Zur Einreihung in seine neue Partei wird Jauslin also sein Wahlverhalten stark anpassen müssen.
SP
Schaut man sich die Jahre 2004 bis 2011 an, gibt es keine Partei mit einer so klaren Linie wie die SP. Heute liegen auch nur gerade 1.6 Punkte zwischen dem linksten Vertreter Christian Dandrès aus Genf und der Aargauerin Gabriela Suter auf der rechten Seite – ähnlich wie bei den bürgerlichen Parteien. Doch zwischen den beiden Polen befinden sich die restlichen 40 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nur gerade 0.089 Punkte auseinander.
Bild: watson
Mitte
In der Mitte (arithmetisch) steht, nicht weiter überraschend, die Mitte (Partei). Dabei steht sie mehrheitlich leicht rechts von der Mitte. Als «Exot» sticht bei der ehemaligen CVP der Tessiner Giorgio Fonio heraus. Der Gewerkschaftssekretär sitzt seit einem Jahr für die Mitte im Nationalrat und positioniert sich klar links von seiner Partei.
bild: watson
Am rechten Rand der Mitte finden wir Thomas Rechsteiner und gleich dahinter Bundesratskandidat Markus Ritter. Die Mitte ist weiterhin verhältnismässig breit aufgestellt, mit einem Unterschied zwischen Fonio und Rechsteiner von 2.2 Punkten.
GLP
Die GLP wurde 2007 auf der jetzigen Parteilinie geboren und ist auch 2024 weiterhin sehr kompakt aufgestellt. Parteigründer Martin Bäumle steht am rechten Rand der Partei, während sich Kathrin Bertschy ganz links einreiht. Zwischen den beiden liegen nur gerade 0.7 Punkte.
Bild: watson
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