Plus 530 Millionen: Kann die Armee überhaupt so viel Geld ausgeben?

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Ein beschaffungsreifes Projekt ist der Ersatz der mehr als 50 Jahre alten Panzerhaubitze M109.Bild: Keystone

National- und Ständerat wollen 2025 zusätzliche 530 Millionen Franken für die Armee. An Projekten fehlt es nicht, dennoch fragt man sich, ob die Milizarmee sie stemmen kann.

Die Debatte über das Bundesbudget 2025 versprach turbulent zu werden. Sogar ein Scheitern im Parlament und ein Notbudget des Bundesrats waren möglich. Nun scheint sie überraschend problemlos zu verlaufen. Nach dem Nationalrat stimmte am Montag auch der Ständerat dem Budget zu, womit ein Absturz schon einmal vom Tisch ist.

Allerdings gibt es Differenzen, vor allem bei der Auslandshilfe. Der Nationalrat will 250 Millionen Franken einsparen, der Ständerat nur 30 Millionen. Gibt es keine Einigung, gilt automatisch der tiefere Budgetposten, also die Version des Nationalrats. So weit aber wird es kaum kommen. Am Ende dürfte man sich auf 100 oder 150 Millionen Franken einigen.

Rüstungschef Urs Loher und Armeechef Thomas Süssli haben eine lange Einkaufsliste.Bild: keystone

Einig ist man sich beim Armeebudget. Es soll gegenüber dem Vorschlag des Bundesrats um 530 Millionen Franken aufgestockt werden. Bis 2032 soll es nach dem Willen des Ständerats auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen. Angesichts der Aufrüstung in Europa ist die Schweiz damit nicht sonderlich ambitioniert unterwegs.

Die Schweiz träumt weiter

Unser ebenfalls neutraler Nachbar Österreich will sein Wehrbudget bis 2028 auf 1,5 Prozent des BIP anheben. In der Schweiz hingegen sind viele laut einer Umfrage der Ansicht, die Schweiz solle bei der Armee lieber sparen, als mehr Geld dafür auszugeben. In manchen Köpfen scheint die militärische «Zeitenwende» nicht angekommen zu sein.

«Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Schweiz noch an eine heile Welt glaubt», sagte Urs Loher, Chef des Bundesamts für Rüstung Armasuisse, am Montag in einem NZZ-Interview. 2022 habe es ein kurzes Erwachen gegeben, als Russland die Ukraine angriff. «Offenbar haben wir uns danach im Bett wieder umgedreht und weitergeträumt», meinte Loher.

Druck dürfte steigen

Das wirkt polemisch, und doch wäre es kurzsichtig, die Verteidigung quasi dem Ausland zu überlassen. «Der Druck auf die Schweiz dürfte steigen, ihren Beitrag zur Sicherheit Europas rasch signifikant zu erhöhen», schrieb der Militärexperte der NZZ als Fazit des ersten Prague Defence Summit von Mitte November. Explizit erwähnte er den Schutz der Stromnetze.

Die Linke behauptet, die Armee wisse gar nicht, welche Waffen oder Ausrüstungen sie mit den zusätzlichen Geldern beschaffen soll. Recht gibt ihr scheinbar die Aussage von Rüstungschef Loher, wonach die Armee mehr Munition kaufen will als benötigt, um die angedrohte Schliessung der Munitionsfabrik Swiss P in Thun zu verhindern.

Notorische IT-Probleme

Dabei hat Verteidigungsministerin Viola Amherd eine konkrete Einkaufsliste im Umfang von 13 Milliarden Franken bis 2031 erstellen lassen, wie der «Blick» berichtete. Sie umfasst unter anderem eine bodengestützte Luftverteidigung, eine direkte Lehre aus dem Ukraine-Krieg, deutsche Piranha-IV-Panzer für die Artillerie sowie die Cyberabwehr.

Gerade im Informatikbereich hat sich die Schweizer Armee jedoch nicht mit Ruhm bedeckt. Im Oktober enthüllte Radio SRF, dass sie ein Projekt für die Kriegslogistik abbrechen musste. Noch gravierender sind die Probleme beim neuen System Skyview für die Überwachung des Luftraums. Dessen Einführung dürfte sich um Jahre verzögern.

Veraltetes System

Das bedeutet, dass die Armee das heutige System Florako «notfallmässig länger betreiben muss», schrieb die «NZZ am Sonntag» basierend auf einem internen klassifizierten Bericht. Doch die dafür benötigten IT-Spezialisten drohen wegen Pensionierungen und Kündigungen «wegzubrechen». Und neue Leute sind für ein veraltetes System kaum aufzutreiben.

Ein Florako-Terminal in Thun. Die Schweiz muss das veraltete System wohl noch Jahre weiterbetreiben.Bild: KEYSTONE

Dabei sei die Überwachung des Luftraums ein Schlüsselelement für den Schutz des Landes, räumte Armeechef Thomas Süssli gegenüber der «NZZ am Sonntag» ein. Er ist überzeugt, dass der Betrieb von Florako bis 2031 sichergestellt sei. Für Süssli steht einiges auf dem Spiel. Gerade wegen seines IT-Backgrounds wurde er von Amherd zum Armeechef ernannt.

«Eine Nummer zu gross»

Die Tech-Probleme mögen ein «Sonderfall» sein, denn die Armee steht in diesem Bereich im Konkurrenzkampf mit der Privatwirtschaft um begehrte Spezialisten. Und doch stellt sich eine Grundsatzfrage: Ist die seit dem Kalten Krieg mehrfach reformierte und «abgespeckte» Milizarmee überhaupt in der Lage, so viele Rüstungsprojekte zu stemmen?

Von linker Seite gibt es Zweifel. «Die Armee orientiert sich an Kriegsführungskonzepten der NATO-Grossstreitkräfte», meinte die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth gegenüber der «NZZ am Sonntag». Das sei für die Milizarmee eine Nummer zu gross. Der Freiburger Grünen-Nationalrat und IT-Unternehmer Gerhard Andrey findet gar, dies führe «zu Überforderung».

Lieber für Armee als für Personal

Urs Loher räumte das Problem im NZZ-Interview indirekt ein: «Selbstverständlich benötigten wir für so viele neue Projekte mehr Personal.» Aber das sei derzeit nicht realisierbar. Er setzt auf «signifikante Effizienzsteigerungen» innerhalb des Beschaffungsprozesses: «Mir ist es lieber, wenn das Geld in die Armee und in die Sicherheit geht, als Personal aufzubauen.»

Für den Rüstungschef ist auch die Beschaffung von Rüstungsgütern zusammen mit anderen Nationen kein Tabu, was «Neutralitäts-Fundis» sauer aufstossen dürfte. Für die SVP ist schon der im Oktober besiegelte Beitritt der Schweiz zur «European Sky Shield»-Initiative eine Provokation. Sie betrachtet ihn als «Schritt in Richtung NATO-Beitritt».

Das N-Wort bleibt ein schwieriges Thema für die Schweizer Verteidigung. Rüstungschef Loher wird bis Mitte 2025 im Auftrag des Bundesrats eine rüstungspolitische Strategie erarbeiten, basierend auf der Zeitenwende durch den Ukraine-Krieg. Dann erfährt man, ob und wie die Schweizer Armee in der Lage ist, das viele zusätzliche Geld auszugeben.

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quelle: keystone / christian brun

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