Bald Schneckentempo in der Luft? Swiss und Co. sollen langsamer fliegen

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Die Swiss drosselt bereits heute teils die Geschwindigkeit, um Kerosin zu sparen. Doch der Vorschlag der neuen Cambridge-Studie geht der Lufthansa-Tochter zu weit.Bild: Christian Merz / KEYSTONE

Eine neue Studie fordert von der Luftfahrtindustrie stärkere Massnahmen, um ihre Umweltbilanz zu verbessern. Dazu gehören längere Flugzeiten. Kann das wirklich funktionieren?

Benjamin Weinmann / ch media

Wer sich die Entwicklung in der Aviatik ansieht, könnte sich die Frage stellen: Weshalb entstand eigentlich je das Wort Flugscham? Denn es wird wieder geflogen, als wenn es die Pandemie und die Klimaproteste nie gegeben hätte. 2023 erzielte die Schweizer Fluggesellschaft Swiss einen Rekordumsatz und Rekordgewinn. Das Wachstum bei der Passagierzahl setzt sich auch dieses Jahr fort.

Und dennoch: Die Luftfahrt gilt in der Diskussion um die Klimaerwärmung für viele als symbolträchtigste Branche mit ihren hohen Emissionswerten. Deshalb investieren viele Airlines in ihre Nachhaltigkeitsbemühungen, zu einem grossen Grad auch getrieben von der Angst vor drohenden Flugregulierungen und höheren Steuern.

Eine neue Studie der Universität Cambridge hat für die Branche nun einen Vorschlag, wie sie ihre Emissionsbilanz per sofort deutlich verbessern könnte. Laut den Forschenden würden die Airlines bis zu 7 Prozent weniger Kerosin verbrennen, wenn sie ihre Geschwindigkeit um 15 Prozent drosseln würden. Beim Bau künftiger Flugzeuge sollte dieses Ziel berücksichtigt werden.

Längere Atlantikflüge

Ein Nachteil aus Passagiersicht wären längere Flugzeiten. So würde sich ein Flug über den Atlantik laut den Cambridge-Experten um fünfzig Minuten verlängern. Dies wiederum dürfte die Produktivität der Airlines senken. Die Forschenden glauben jedoch, dass eine gesteigerte Effizienz an Flughäfen mit kürzeren Wartezeiten diesen Nachteil ausbügeln könnte.

Harry Hohmeister leitete die Swiss von 2009 bis 2015.Bild: Christian Beutler / Keystone

Die Option einer Geschwindigkeitsdrosselung ist nicht neu. Gerade in Zeiten hoher Kerosinpreise wird sie von Airlines jeweils geprüft. So sagte 2012 der damalige Swiss-Chef Harry Hohmeister in einem CH Media-Interview: «Würden wir langsamer fliegen, könnten wir zwar Sprit sparen, aber der ganze Flugplan würde durcheinandergeraten. Das ist nachteilig.» Sprich, die Kerosinrechnung wird zwar niedriger, aber wenn gewisse Anschlussflüge durch die längeren Flugzeiten wegfallen, verpufft der Spareffekt durch die gesunkene Effizienz im Betrieb.

Und heute? Die Tempodrosselung werde bereits umgesetzt, sagt Swiss-Sprecher Michael Stief. Unter Berücksichtigung der verfügbaren Abfertigungszeitfenster an den Flughäfen und anderer Faktoren plane man alle Flüge mit dem Ziel eines optimalen und möglichst niedrigen CO2-Ausstosses. Aber: «Eine generelle Reduzierung der Geschwindigkeit um 15 Prozent ist nicht umsetzbar, da wir dann in einen Bereich der aerodynamischen Widerstandskurve gelangen würden, in dem der CO2-Ausstoss steigen würde.» Damit widerspricht die Lufthansa-Tochter also den Cambridge-Forschenden.

Der Zweifel der Forschenden

Auf Basis des Planungssystems und unter Einbezug der aktuellsten Wetter- und Winddaten passe man während des Fluges – im Rahmen der Möglichkeiten der Flugsicherung – Flughöhe und Geschwindigkeit an, um die Destination mit möglichst geringem CO2-Ausstoss zu erreichen, sagt Stief. «Bereits bei der Flugplanung berücksichtigen wir unsere Erfahrungswerte auf den Streckenverbrauch mit Unterstützung modernster IT-Technologie und können so die Treibstoffbetankung optimieren.»

Effizientere Triebwerke sind ein Mittel für eine bessere Umweltbilanz der Airlines.Bild: Christian Beutler / Keystone

Die Reduzierung der Geschwindigkeit ist nicht der einzige Vorschlag, den die Cambridge-Forschenden der Branche präsentieren, um die Umwelt-Emissionen bis 2050 auf null zu senken. Denn sie glauben nicht, dass das anvisierte Ziel mit den bisher lancierten und angekündigten Massnahmen erreicht werden kann. Gemäss der Studie trägt die Aviatik derzeit 4 Prozent zur globalen Klimaerwärmung bei, wobei 2,5 Prozent allein auf den CO2-Ausstoss zurückzuführen sind.

Swiss-Sprecher Stief verweist derweil darauf, dass die Optimierung des Kerosinverbrauchs nicht nur in der Luft angestrebt wird. «Beim Rollen zur Startpiste starten wir das zweite Triebwerk erst zu einem späteren Zeitpunkt, aber rechtzeitig, um beim Startlauf bereit zu sein.» Den Sink- und Anflug fliege man möglichst mit den Triebwerken im Leerlauf, und bei den Auftriebshilfen zur Landung achte die Cockpit-Crew auf geringen Widerstand. «Nach der Landung schalten wir die zum Rollen nicht gebrauchten Triebwerke nach der Abkühlzeit aus.»

Blei an Bord für reiche Kundschaft

Die neue Kabinenausstattung der Swiss lässt an der Ernsthaftigkeit ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen zweifeln.Bild: swiss

Zudem setze die Swiss auf eine kontinuierliche Flottenmodernisierung und den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe, sogenannter SAF, sagt Stief. Ihre Langstreckenflotte des Typs Boeing 777 hat die Airline mit einer treibstoffsparenden Flotte ausgestattet. Und mit künstlicher Intelligenz optimiert sie den operativen Betrieb.

Allerdings: Dass die Nachhaltigkeit bei der Swiss nicht immer erste Priorität hat, zeigt der Fall der neuen Kabine, die ab 2025 in die Langstreckenflugzeuge eingebaut werden soll. Wie CH Media publik machte, sind die luxuriösen First-Class-Sitze – inklusive Sitzheizung und -kühlung sowie XL-Fernsehbildschirm – so schwer, dass im hinteren Teil von 14 A330-Flugzeugen für die Balance der Einbau von Bleiplatten notwendig wird. Die Rede ist von 1,5 Tonnen, welche die positiven Effekte einer Tempodrosselung gleich wieder schmälern.

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