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Wo er spielt, sorgt er für Wirbel: Chris DiDomenico.Bild: keystone
Eismeister Zaugg
Ambri gewinnt ein intensives, dramatisches Derby in der Penalty-Entscheidung 2:1, weil es Ambri ist. Entscheidend waren nicht hockeytechnische Details, nicht taktische Schlauheit. Entscheidend waren eine Prise Mystik und Aberglaube – und ein Trainer, der ein Gespür dafür hat.
Was ist in diesem Zusammenhang Mystik? Das Wort steht für wissenschaftlich – hier hockeytechnisch – schwer erklärbare Vorgänge an der Wirklichkeitsgrenze. Ambri gewinnt auch die sechste Penaltyentscheidung und hat diese Saison noch keine verloren. Und Chris DiDomenico, der Mann, der Ambri das Penalty-Drama gegen Lugano erst ermöglicht, ist eigentlich gar nicht richtig in Form. Es ist nicht sein Abend. Und Aberglaube hat wohl auch eine Rolle gespielt.
Neulich hat sich der Chronist mit jemandem, der wirklich viel von Hockey versteht und in der Kabine von grossen, meisterlichen Teams sass, über DiDomenico unterhalten. Der Chronist vertritt die Auffassung, Ambri müsse unbedingt mit «DiDo» verlängern. Der Kanadier passe mit seiner Leidenschaft zur Kultur dieser Organisation und mit einem Hauch Genie in seinem Spiel mache er die ganze Mannschaft besser. Das Alter spiele bei ihm – er wird bald 36 Jahre alt – keine Rolle und Sportdirektor Paolo Duca könne gut um zwei Jahre verlängern.
Der Mann, der wirklich viel von Hockey versteht und in der Kabine von grossen, meisterlichen Teams sass, ist ganz anderer Auffassung: Auf gar keinen Fall verlängern und schon gar nicht zwei Jahre. «DiDo» reisse zu viel Eiszeit an sich, bringe so zu vieles durcheinander, sei vom Coach kaum zu kontrollieren und zu führen, und schon gar nicht von Luca Cereda. Eine Streitfrage, die zu Ambri passt.
Wer hat recht? Schwierig zu sagen. Vielleicht beide ein wenig. Time will tell. Aber ein Augenschein bei diesem Derby und überhaupt ein Besuch in Ambri führt zur Einsicht: Unbedingt mit Chris DiDomenico verlängern.
Der Kanadier ist am Dienstagabend im Derby nicht in Bestform. Das liegt auch an der Strategie des Gegners. Schlau wird sein Spielraum eingeengt und die Zweikämpfe werden ordentlich mit verbalen Provokationen gewürzt. Sein Frustrationspegel steigt. Je länger die Partie dauert, desto weniger kann er sich von seinen Gegenspielern befreien, freies Eis gewinnen und die Offensive befeuern.
Ambri-Fans feiern den Derby-Sieg gegen Lugano
Video: watson/klaus zaugg
Seine Eiszeit wird deswegen nicht kürzer. Am Ende sind es 24:12 Minuten, zwei Minuten mehr als Topskorer Dominik Kubalik. Von allen Spielern, die bei diesem Derby zum Einsatz kommen, erhält nur Ambris Verteidigungsminister Jesse Virtanen noch mehr Präsenz.
Und doch hätte Ambri ohne Chris DiDomenico dieses Derby nicht gewonnen. Selbst einen Fünfminuten-Ausschluss von Mark Arcobello kann Ambri nicht nützen und gerät durch einen Treffer von Marco Müller 0:1 ins Hintertreffen. Der Frustrationspegel und Intensität steigen. Da erahnt DiDomenico den Leichtsinn eines Gegenspielers bei einem Pass in Luganos Defensivzone mit dem Hauch von Magie (Zauberkunst), die seinem Spiel auch dann eigen ist, wenn seine Form nicht ganz stimmt. Er kommt an den Puck, über Philippe Maillet gelangt der schwarze Hartgummi-Kobold zu Kubalik. Der Tscheche trifft zum 1:1. Er ist mit 24 Toren der beste Torschütze der Liga.
«DiDo» möchte bleiben und sein Agent Derek McCann hätte wohl eine Verlängerung schon über die Bühne gebracht, wenn Sportdirektor Paolo Duca die letzten Tage nicht von einer Grippe heimgesucht worden wäre. Mit fiebrigem Kopf signiert er richtigerweise keine Verträge.
Keine Frage: Der Sauerstoff von Kubaliks Spiel ist eben auch DiDomenicos Übersicht und Schlauheit. Die beiden kommen, natürlich, auch in der Verlängerung und in der Penalty-Entscheidung zum Zuge. Aber seltsamerweise schickt Luca Cereda in der Verlängerung bei drei gegen drei in den zwei ersten Einsätzen Kubalik und DiDomenico nicht gemeinsam aufs Eis. Erst ab dem dritten Wechsel stürmen sie gemeinsam.
Jubel-Duo: DiDomenico und Kubalik (rechts).Bild: keystone
Warum? «Es ist ein wenig Aberglaube», wird Ambris Trainer hinterher sagen. «Wir haben zweimal eine Verlängerung verloren, die wir mit DiDomenico und Kubalik begonnen haben. Seither schicken wir die beiden am Anfang einer Verlängerung noch nicht gemeinsam aufs Eis …»
Nun denn: Ambri verliert in der Verlängerung nicht und gewinnt die Penalty-Entscheidung. Zum sechsten Mal. Und noch keine ist verloren gegangen. Ambri ist das beste Team der Liga in der Ausmarchung Stürmer gegen Goalie. Was durchaus eine Logik hat. Vier Spieler sind bisher bei jeder Penalty-Entscheidung zum Zuge gekommen: Verteidiger Tim Heed und die drei Stürmer Chris DiDomenico, Dario Bürgler und Dominik Kubalik bilden dieses magische Quartett. Sie sorgen auch gegen Lugano für die Entscheidung: Heed und Bürgler treffen, DiDomenico nicht. Es ist einfach nicht sein Abend. Aber er hat mit der Vorbereitung des Ausgleichs diese Penalty-Entscheidung erst ermöglicht. Ambris erfolgreichste Penalty-Verwerter sind bisher Bürgler und Kubalik mit je vier Treffern. «DiDo» hat bisher zweimal getroffen.
Es passt zu diesem Spektakel, dass Janne Juvonen, der im Frühjahr gehen muss und eine miserable Saison-Fangquote von 88,72 Prozent in der Statistik hat, alle Penaltys pariert und im Spiel 96,67 Prozent der Pucks abwehrt. Die Magie Ambris, potenziert durch das Derby, hat auch den introvertierten Finnen befeuert.
Juvonen rettet gegen Carr: Ein Derby kann beflügeln.Bild: keystone
Reicht Ambris Mystik mindestens für Rang 10 oder die Pre-Playoffs (oder heisst es eigentlich Play-In?) entgegen fast allen Aussagen der modernen, wissenschaftlich erarbeiteten Hockey-Statistiken? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Time will tell.
Das Problem: Diese ganze, hockeywissenschaftlich und statistisch nicht erfassbare Mystik wirkt bei Heimspielen ein bisschen stärker: Elf seiner 20 Siege hat Ambri auf eigenem Eis gefeiert. Bis zum Ende der Qualifikation darf Ambri noch viermal auf eigenem Eis antreten (gegen Kloten, Ajoie, Biel und Bern) und muss fünfmal in fremde Stadien reisen (nach Rapperswil-Jona, Langnau, Davos, Genf und Fribourg). Eine Prise weniger Valascia-Mystik also. Ein Detail nur. Aber die Entscheidung wird knapp fallen.
Knappes Scheitern ist tiefer in Ambris DNA eingebrannt als knappe Triumphe. Auch das gehört eben zur Mystik Ambris.
PS: Möchte SCB-Schillerfalter Dominik Kahun doch noch einmal in seiner Karriere echte Hockey-Romantik erleben, so sollte er sich mit seinem Freund Dominik Kubalik darüber unterhalten, ob es nicht doch eine Möglichkeit geben könnte, die Magie der Juniorenzeit aufleben zu lassen und noch einmal gemeinsam in der gleichen Linie Hockey zu zelebrieren. In Ambri oder in Bern.
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