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«Money, money, money» – kriegt Friedrich Merz damit die Grünen rum?Bild: keystone
Um sein Schuldenpaket durchzubringen, braucht Friedrich Merz die Grünen. Die wollten für ihre Zustimmung allerdings mehr als nur warme Worte. Merz‘ eigentliches Problem aber ist viel grösser – und es wird ihn wohl auch während seiner Kanzlerschaft begleiten.
Hansjörg Friedrich Müller, Berlin / ch media
Auch wenn man mit historischen Superlativen zurückhaltend sein sollte, scheint eines schon jetzt klar zu sein: Die Bundesrepublik erlebt derzeit die seltsamsten und unberechenbarsten Koalitionsverhandlungen ihrer Geschichte. Friedrich Merz, der Chef der Christdemokraten, muss sich mit zwei Partnern verständigen, obwohl einer von beiden, nämlich die Grünen, der nächsten Regierung gar nicht angehören soll.
Um ein Bündnis mit den Sozialdemokraten bilden zu können, muss Merz aber zunächst ein Hindernis aus dem Weg räumen, und dafür braucht er die Grünen. Das Hindernis ist die «Schuldenbremse», denn um gigantische Investitionen in die Infrastruktur und ins Militär finanzieren zu können, auf die sich Union und SPD geeinigt haben, muss diese umgangen werden.
Politische Untote betreten noch einmal die Bühne
Dass nur noch im alten, eigentlich bereits abgewählten Bundestag die Chance auf die notwendige Zweidrittelmehrheit für dieses Vorhaben besteht (die «Schuldenbremse» ist in der Verfassung festgeschrieben), hat zu der bizarren Situation geführt, dass das Parlament diese und nächste Woche in seiner alten Zusammensetzung tagt. So tauchen noch einmal politische Untote auf der Bühne auf, etwa Christian Lindner, der Chef der Liberalen, die im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein werden.
Am Donnerstag machte Lindner allerdings einen sehr lebendigen Eindruck; man könnte auch sagen, er habe Oberwasser: Dass Merz bei der Verteidigung der «Schuldenbremse» nur wenige Wochen nach der Wahl umgekippt war, schien dem Liberalen, der das Instrument dreieinhalb Jahre lang gegen zwei linke Koalitionspartner verteidigt hatte, besondere Genugtuung zu bereiten. Seine Annahme, dass manch ein CDU-oder CSU-Wähler bereits bereue, nicht doch der FDP zurück ins Parlament verholfen zu haben, dürfte nicht allzu weit hergeholt sein.
Merz‘ Fehler bestand darin, die Zustimmung der Grünen vorauszusetzen. Die aber zierten sich und wollten umworben werden. Zunächst versuchte es der Christdemokrat mit Appellen an die «staatspolitische Verantwortung» und verwies auf Bedrohungen wie Putin, Trump und die AfD. Dass das nicht genügen würde, war aber rasch klar: Für ihre Zustimmung wollten die Grünen konkrete Gegenleistungen.
Am Freitag gaben alle Beteiligten eine Einigung bekannt: 100 Milliarden aus dem geplanten 500-Milliarden-Euro-Topf für die Infrastruktur sollen nun in den Klimaschutz- und Transformationsfonds fliessen, doppelt soviel wie ursprünglich von Union und SPD vorgesehen. Dafür wollen die Grünen am Dienstag einer Verfassungsänderung zustimmen.
Merz wirkt schon jetzt reichlich lädiert
Friedrich Merz gibt bei all dem keine glückliche Figur ab: Aus Sicht konservativer Christdemokraten treiben SPD und Grüne die Union vor sich her, und Merz wirft eine Überzeugung nach der anderen über Bord, um Kanzler zu werden. Der linke Flügel seiner Partei macht ihm derweil zum Vorwurf, die konfrontative Haltung, die er und CSU-Chef Markus Söder im Wahlkampf gegenüber den Grünen eingenommen hätten, räche sich nun.
Auch die alte Erzählung seiner Gegner, Merz sei ein Mann von gestern, wird wieder aufgewärmt: Der 69-Jährige, so einige Kommentatoren, habe den partnerschaftlichen Stil der neuen Zeit nicht begriffen und den Grünen autoritäre Ansagen machen wollen. Als besonderer Fauxpas und Beispiel für Merz‘ angebliche Arroganz wird dabei herangezogen, dass er Ende letzter Woche der Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann auf die Mailbox sprach, anstatt nochmals zu versuchen, sie zu erreichen.
Letzten Endes gaben sich die Grünen aber wohl nicht wegen solch atmosphärischer Störungen hartleibig, sondern weil sie es konnten: Merz braucht ja ihre Stimmen. Das Grundproblem des CDU-Chefs, das ihn auch während seiner Kanzlerschaft begleiten dürfte, hätte er auch durch einen behutsameren Umgang mit den Grünen nicht beseitigen können: Da er mit der AfD verständlicherweise nicht zusammenarbeiten möchte, wird Merz sich immer Mehrheiten links der Mitte suchen müssen. Die konservative Wende, die manche sich von ihm erhofften, wird somit ausbleiben. (aargauerzeitung.ch)
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